„So unerwartet schön der langersehnte Traum plötzlich Wirklichkeit zu werden schien, so gnadenlos wurde er doch dann von hinten niedergestochen.“
Ich sehe mein Gesicht im Spiegel an – mal wieder. Mittlerweile könnte man doch langsam auf eine etablierte Selbstverliebtheit meiner Wenigkeit schließen, doch so sehr ich das auch gar nicht bis ins kleinste Detail verneinen möchte, dient der Blick auf das Ich, das alle Bewegungen aus perspektivischem Wechsel in die andere Richtung zu machen scheint, einer dokumentarisch begutachtenden Art.
Diesen Rahmen, von dem ich bereits sprach, ich sehe ihn schon wieder anders.
Morgens streiche ich mir über den Kopf und folge der Bewegung meiner Hände, bis ich sie auf Bauchhöhe geöffnet vor mir halten kann. Das, was da eigentlich einige Zentimeter höher fest verankert sein sollte, ist plötzlich als feines, dichtes Fell auf meine Handinnenseiten gerutscht. Ich kenne das. Genau dieses Gefühl zu wissen „ich kann rein gar nichts tun“ und diese Ernüchterung „ich hatte es mir nicht doch schlimmer eingebildet, als es ist“.
Ich kann all das still beobachten und insgeheim hoffen, dass, durch den richtigen Lebensstil, die richtige Ernährung, vielleicht die ernstlich gefühlte Vorstellung im Kopf, mein Körper so manipuliert wird, dass er sich nicht wieder gegen sich selbst wendet. Aber ich weiß es einfach nicht. Und so sehr sich die große Angst auch in mir anbahnt, dass das Ergebnis des Prozesses so aussieht wie vor fünf Jahren, will ich es nicht wahrhaben, dass ich wieder nackt, kahl und ungeschützt sein könnte. Es ist doch unlogisch Richtung Winter sein Winterfell abzuwerfen, oder nicht?
Ich mag meinen frechen Stoppelschnitt, auch wenn er löchrig wie ein schweizer Käse ist. Es passt zu mir und ich habe die Möglichkeit, mich so mit meinen eigenen Haaren im Spiegel zu sehen, viel zu lange überhaupt nicht in Erwägung gezogen, weil ich mich gar nicht getraut hatte, so sehr zu hoffen. Jetzt habe ich mich doch getraut und wurde mitsamt meiner Hoffnung, feige von hinten niedergestochen. Vielleicht weil ich mich zu sehr darauf ausgeruht habe oder weil ich noch einiges zu lernen habe. Ich weiß es nicht - und so wenig ich auch weiß, was kommen wird, weiß ich nicht, warum ich das überhaupt erfahren muss.